Aktuelle Ergebnisse zu Intervallkarzinomen aus der Gastroenterologischen Praxis Herne (Ruhrgebiet) und dem Institut für Pathologie der Ruhruniversität Bochum: In der gastroenterologischen Gemeinschaftspraxis in Herne wurden zwischen dem 1.10.2002 und 30.6.2017 insgesamt 13.568 Vorsorgekoloskopien (VK) durchgeführt und dokumentiert. Dabei wurden bei 1.501 (11,1%) Personen ein oder mehrere Adenome polypektomiert, bei 17.4% Patienten adenomatöse Polypen Sprossen biopsiert und 115 Karzinome (0.85%) festgestellt. Die Adenomdetektionsrate (ADR) betrug insgesamt 28.5%. Bei Kontrollkoloskopien wurden in diesen fast 15 Jahren bei 34 Patienten mit oder ohne Symptome ein Intervallkarzinom (Postcolonoscopy colorectal cancer (PCCRC)) (0.25%) identifiziert und behandelt. Bei 18 von 34 Patienten wurde das PCCRC innerhalb von fünf Jahren (24-60 Monate) nach der Indexkoloskopie entdeckt (0.13%), bei 16 zwischen 72 und 150 Monate (0.12%) (1). Im Rahmen einer Dissertation* am Institut für Pathologie der Ruhruniversität Bochum (Frau Prof. A. Tannapfel) wurde diese Kohorte der PCCRC nun weiter aufgearbeitet. Aus dem Kollektiv von 34 Patienten aus der Gastroenterologischen Gemeinschaftspraxis in Herne lagen von 24 Patienten Proben im Institut für Pathologie aus Bochum vor, welche für weitere Untersuchungen genutzt wurden. In dem analysierten Datensatz mit 34 PCCRC-Patienten waren 55,8 % männlich und 44,2 % weiblich. Das durchschnittliche Intervall betrug 48,8 Monate (6-149 Monate). Das Durchschnittsalter lag bei 72,3 Jahren, wobei das durchschnittliche Alter bei einer Kolonkarzinomdiagnose aller VK in der Praxis bei 67 Jahren lag. Bei 64,7 % war das PCCRC im proximalen Kolon und bei 35,3 % im distalen Kolon lokalisiert. Die Lokalisation stimmte bei 14 Patienten (41,2 %) mit zuvor entfernten Läsionen überein, was für nicht vollständig entfernte Läsionen sprechen könnte. Je höher die T-Kategorie war, desto länger war das durchschnittliche Intervall der PCCRC-Diagnose (T1 = 58 Monate, T2 = 65 Monate, T3 = 76 Monate, T4 = 107 Monate). Zudem zeigten die Karzinome, welche im proximalen Kolon lokalisiert waren, eine im Durchschnitt weiter fortgeschrittene Infiltrationstiefe.
50 % (11/22) der PCCRC, von denen insgesamt 22 Proben auswertbar waren, konnten in der Fragmentlängen Analyse als MSI-high eingeordnet werden, 9,1 % (2/22) als MSI-low und 40,9 % (9/22) als MSS. Der Mikrosatellitenstatus war bei 7 Karzinomen (46,7 %) des proximalen Kolons stabil und bei 8 (53,3 %) instabil. Im distalen Kolon waren zwei (28,6 %) der sieben detektierten Karzinome stabil und fünf (71,4 %) instabil. Die Karzinome im distalen Kolon zeigten zu 100% eine Veränderung im MLH1-Protein, teilweise in Kombination mit anderen Proteinen. Die Karzinome im proximalen Kolon hatten je 71,4 % Veränderungen im MHL1- und MSH2-Protein.
Die Next Generation Sequencing (NGS)-Untersuchung, eine Methode zur DNA Sequenzierung, welche mit einem Panel von 25 Genen durchgeführt wurde(AKT1, ALK, BRAF, CDKN2A, CTNNB1, DDR2, PYD, EGFR, ERBB2, GNA11, GNAQ, GNAS, KIT, KRAS, MAP2K, MET, NRAS, PDGFRA, PIK3CA, PTEN, SMAD4, TP53, TPMT, VHL, BRCA2), ergab 47 verschiedene Genveränderungen in 25 Genen, die in den untersuchten und auswertbaren 21 KRK insgesamt 82mal auftraten, welche mit der ClinVar Datenbank des National Center for Biotechnology Information (NCBI) verglichen wurden.
Als Genveränderungen konnten 23 für das KRK bekannte pathogene Mutationen in vier Genen (BRAF: n = 3, KRAS: n = 8, PIK3CA: n = 3, TP53: n = 9), sieben vermutlich pathogene Mutationen in sechs Genen (BRAF: n = 1, CTNNB1: n = 2, DDR2: n = 1, KRAS: n = 1, PTEN: n = 1, TPMT: n = 1), 22 Varianzen unklarer Signifikanz (VUS) in acht Genen, 30 benigne Alterationen in drei Genen und eine unbekannte Mutation in einem Gen (DDR2: n = 1) nachgewiesen werden.
Für das KRK bekannte pathogene Mutationen konnten in der NGS-Analyse für TP53 in 42,9 % (9/21), für KRAS in 38,1 % (8/21), für BRAF und PIK3Ca in jeweils 14,3 % (3/21) der untersuchten Proben identifiziert werden. 27,3 % (3/11) der MSI-high PCCRC wiesen eine BRAF-Mutation auf und 36,4 % (4/11) eine MHL1-Promotormethylierung. Dabei kamen 90 % der KRAS-Varianten in proximal gelegenen Tumoren vor und 75 % der BRAF-Varianten in Tumoren des distalen Kolons. Hinweise für ein hereditäres KRK, speziell für ein Lynch-Syndrom, ergaben sich nicht.
Zusammenfassung
Im Vergleich zum konventionellen kolorektalen Karzinom (KRK) zeigte sich bei PCCRC eine häufigere Lokalisation im proximalen Kolon sowie eine erhöhte Rate an MSI-high-Karzinomen, was auch in anderen Studien erarbeitet wurde. In Bezug auf andere klinische und histopathologische Merkmale sowie die Häufigkeit weiterer molekularpathologischer Veränderungen ergaben sich jedoch keine Unterschiede. Diese Befunde unterstützen die Hypothese, dass PCCRC verstärkt über den serratierten Karzinogenese Weg entstehen könnte, da dessen Vorläuferläsionen oft flacher, kleiner und schwerer abgrenzbar sind, was ihr Übersehen begünstigen könnte [2,3].
Dies unterstreicht neben der generellen Wichtigkeit der Vorsorgekoloskopien, die Bedeutung einer gründlichen Koloskopie Vorbereitung, einer sorgfältigen Durchführung der Endoskopie – gegebenenfalls unter Einsatz von NBI (Narrow Band Imaging) oder KI-Unterstützung – sowie einer fundierten Ausbildung der Endoskopikers [4,5].
Literaturverzeichnis
[1] Hüppe D, Felten G, Hinz M, von der Ohe M, Wallner I, Zemke J, Tannapfel A. (2019) Intervallkarzinome – der Albtraum des Endoskopikers? Z Gastroenterol;57:263-266
[2] Tischoff I, Tannapfel A (2021) Pathohistologie von Polypen des Gastrointestinaltrakts. Internist (Berl) 62:123–132
[3] Aerts R, Severi C, van Roey G, Harlet R, T’Syen M, Claessens C, van Gool S, Croonen C, Janssens J (2021) A single-centre analysis of post-colonoscopy colorectal cancer. Acta Gastroenterol Belg 84:401–405
[4] Anderson JC, Rex DK, Mackenzie TA, Hisey W, Robinson CM, Butterly LF (2024) Endoscopist adenomas-per-colonoscopy detection rates and risk for postcolonoscopy colorectal cancer: data from the New Hampshire Colonoscopy Registry. Gastrointestinal endoscopy 99:787–795
[5] Li M-D, Huang Z-R, Shan Q-Y, Chen S-L, Zhang N, Hu H-T, Wang W (2022) Performance and comparison of artificial intelligence and human experts in the detection and classification of colonic polyps. BMC gastroenterology 22:517
Autoren:
Dr. med. Jessica Rüsen (Aarau, CH)*
Dr. med. Dietrich Hüppe (Gastroenterologische Gemeinschaftspraxis Herne)