Neue Daten zur Darmkrebsvorsorge 2021/22 durch den G-BA

Der G-BA veröffentlicht zum ersten Mal nach der Einführung des Einladungsverfahrens zur Darmkrebsvorsorge im Jahre 2019 Zahlen zum Effekt des Screenings (1). Ein Kommentar von Dr. Dietrich Hüppe, Vorstandsmitglied der Stiftung LebensBlicke: “Zum 1.Juli 2019 wurde das Einladungsverfahren zur Darmkrebsvorsorge implementiert. Gesetzliche Krankenkassen sind seitdem verpflichtet, alle fünf Jahre ab dem 50. Lebensjahr ihre Versicherten auf die Darmkrebsvorsorge hinzuweisen. Diese besteht aus einer Beratung, regelmäßigen Stuhltesten oder alternativ zweimal im Leben einer Vorsorgekoloskopie. Die Gesundheitsforen Leipzig (GFL) wurden vom G-BA beauftragt, alle Versorgungsdaten der Darmkrebsvorsorge zusammenzuführen, um den Effekt des Darmkrebsscreening zu evaluieren. Dazu sollen Abrechnungsdaten der KBV, Analysen der Labors, die die Stuhlteste auswerten, ambulante Vorsorgekoloskopien oder Abklärungskoloskopien nach einen positiven i-FOBT, Krankenkassendaten sowie Krankheitsverläufe aus Landeskrebsregistern zusammengeführt werden. Auf die Komplexität der Aufgabe unter den Bedingungen des deutschen Datenschutzes wurde an anderer Stelle hingewiesen (2). Für das Jahr 2019 wurden abschließende Ergebnisse der Vorsorgekoloskopien durch das Zentralinstitutes der Kassenärztlichen Versorgung (ZI) 2021 vorgelegt. Bis dahin hatte das ZI die Entwicklung der Darmkrebsvorsorge in Deutschland dokumentiert. Der Effekt des Einladungsverfahrens für das Jahr 2020 wurde auf Grund der Systemumstellung bedauerlicherweise nicht dokumentiert. Nun legt der G-BA erste Ergebnisse für die Jahre 2021 und 2022 vor. Hier eine erste Einschätzung:

Von insgesamt ca. 4.000.000 bei der KBV abgerechneten i-FOBTs wurden 3,186 Millionen Teste durch die GFL erfasst. Etwa 3,5% der anspruchsberechtigten Männer und 5,5% der Frauen führten einen Stuhltest durch. Davon waren 9,7% positiv. Von diesen positiven Befunden wurden nur ca. 31.000 (ca. 11%) durch eine Abklärungskoloskopie dokumentiert nachgesorgt. Bei bis zu 2,5% dieser Patienten fand sich ein KRK, bei ca. 50% Adenome.

Von > 1,1 Millionen bei der KBV abgerechneten Vorsorgekoloskopien wurden im Jahr 2021 und 2022 nur ca. 930.000 Untersuchungen durch die GFL ausgewertet. Ca. 1,4% der Frauen und 1,7% der Männer nahmen teil. Hierbei muss berücksichtigt werden, dass Männer sich schon ab 50 Jahren einer Vorsorgekoloskopie unterziehen können, Frauen erst ab 55 Jahren. Bei ca. 0,5% der Männer und 0,3% der Frauen zeigte sich ein manifestes Karzinom, was in ca. 85% im Frühstadium (Stadium 0-II nach UICC) erkannt wurde. Die Polypen-Entfernungsrate (=Adenom-Detektionsrate, ADR) war hoch (Männer ca. 40%, Frauen ca. 30%). Die Komplikationsrate der Darmkrebsvorsorge ist weiterhin sehr gering (< 1%). Komplikationen werden zumeist schon durch die untersuchende Praxis kontrolliert.

Erstmalig werden von den GFL nun Daten zum Effekt der 2. Vorsorgekoloskopie vorgelegt. Wenn man diese kritisch auswertet, so reduziert sich das Risiko für Patienten > 65 Jahren, die sich vorher schon einer Vorsorgekoloskopie unterzogen hatten, um > 50% (für Männer von ca. 1% auf 0,5%, für Frauen von ca. 0.6% auf ca. 0,3%), im weiteren Verlauf an einem KRK zu erkranken. Um den tatsächlichen Effekt der Darmkrebsvorsorge kalkulieren zu können, werden ab 2024 Daten der deutschen Landeskrebsregister in die Datenanalyse miteinbezogen.

Zusammenfassend gibt der Bericht einen guten ersten Eindruck zum Effekt der Darmkrebsvorsorge in Deutschland. Leider sind die Daten noch unvollständig. Dies ist unter anderem dem deutschen Datenschutz geschuldet. Hier müssen dringend Modifikationen erfolgen, um die Komplexität der Versorgungswirklichkeit erfassen zu können. Gleichzeitig dokumentiert der Bericht die weiterhin hohe Qualität der Darmkrebsvorsorge in Deutschland. Die Absenkung des Eintrittsalters für eine Vorsorgekoloskopie wird von den Männern genutzt.

Gleichzeitig bestätigen die Befunde, dass die Inzidenz des KRK in Deutschland weiter sinkt. Schwankte die Detektionsrate für ein KRK bis 2018 bei den Vorsorgekoloskopien zwischen 0,75 und 1,1%, so sank diese Rate auf ca. 0,5% im Jahr 2021 und 2022. Für die Vorsorgekoloskopie heißt das: der Effekt in der Früherkennung eines schon manifesten Karzinoms ist eher gering, der große Erfolg der Vorsorgekoloskopie liegt in der langfristigen Entdeckung und Entfernung der Darmkrebsvorstufen (Adenome). Dadurch gelingt eine wirkliche Prävention und effektive Beeinflussung der Inzidenz des KRK.

Und – und das steht nicht im Bericht – die Teilnehmerrate an der Vorsorgekoloskopie nimmt zu. Wurden 2018 ca. 470.000 Untersuchungen durchgeführt, so wird im Jahre 2023 die Anzahl auf > 600.000 Untersuchungen zugenommen haben.”

1) https://www.g-ba.de/service/fachnews/132/
2) Hüppe D, Beyer A, Organisierte Darmkrebsfrüherkennung, historische Entwicklung, aktueller Stand und Fehlentwicklung. Z Gastroenterol 2021;59:604-607

Dr. med. Dipl. rer. soc. Dietrich Hüppe
Co-Sprecher Fachgruppe Kolorektales Karzinom des bng
Vorstand Stiftung Lebensblicke
Wissenschaftl. Leiter des Deutschen Hepatitis C Registers (DHC-R))
c/o Gastroenterologische Gemeinschaftspraxis Herne
Wiescherstrasse 20
44623 Herne
hueppe.herne  [@]  t-online.de

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