Kommentar: “Gastroenterologen in Schockstarre – warum?”

Dr. Rebecca Tschöpe, Chefärztin der Inneren Abteilung / Gastroenterologie der Parkkliniken Berlin und Regionalbeauftragte der Stiftung LebensBlicke, kommentiert die aktuelle NordICC-Studie: “Nun ist die NordICC-Studie (Northern-European Initiative on Colorectal Cancer) im New England Journal publiziert und die Gastroenterologen befinden sich in Schockstarre. Es wurde vehement eine prospektiv randomisierte Multicenterstudie gefordert, damit wir noch besseren Gewissens zur Vorsorge-Endoskopie aufrufen können, aber die Ergebnisse dieser wichtigen Studie ernüchtern. Warum eigentlich? Weil die Risikoreduktion der Inzidenz des KRK nur bei 18% und die relative Reduktion der Mortalität nach der 10-Jahresanalyse bei 10% (n. s.) lag. Und anscheinend können wir diese magere Ausbeute nicht auf die zu geringe Anzahl der eingeschlossenen Teilnehmer schieben, denn es wurden in vier Ländern 85.000 Menschen in die Studie eingeschlossen. Nun, ich gehöre zu der Gruppe der Gastroenterologen, die endoskopieren, daher schaue ich mir gerne eher die Per-Protokoll-Analyse an, die immerhin eine 31%ige relative Risikoreduktion ergab. Denn in den IntentionToTreat-Daten wurden/mussten alle zur Koloskopie Eingeladenen aufgenommen werden, auch diejenigen, welche der Einladung nicht gefolgt sind und nicht zur Endoskopie erschienen sind. Hier sollten wir ansetzen. Warum folgten nur 42% dem Aufruf zur Vorsorge? Weil Nichtmediziner immer noch Bedenken vor den Komplikationen der Endoskopie haben. Und hier können wir die Daten aus der NordICC Studie wirklich gut verwenden. Keine Perforationen, kaum Nachblutungen (<1%) und das bei ca. 13.000 kompletten Koloskopien (97% Zoekumrate). Das sind beeindruckend niedrige Komplikationszahlen und als Regionalbeauftragte der Stiftung Lebensblicke möchte ich insbesondere hierauf hinweisen. Wir können unsere Patienten ohne Sorge zur Vorsorge aufrufen. Des Weiteren sollten wir jeden Einzelnen, den wir vor einer Tumorerkrankung und deren Folgen bewahren können, feiern! Und bitte im Sinne unserer Patienten nicht verzweifelt sein, dass die Screening-Daten nicht wie gehofft ausfallen, denn das liegt doch an den verbesserten onkologischen Therapieoptionen des kolorektalen Karzinoms und da können wir Mediziner doch wohl auch stolz drauf sein.”

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