Darmkrebsvorsorge: Neues Gesetz noch nicht optimal!

Der Fortschritt hat ein Datum: der 1. Juli 2019. Das Krebsfrüherkennungsregistergesetz (KFRG) ist nun in Kraft. Damit erfolgt ein Paradigmenwechsel weg vom opportunistischen Darmkrebsscreening hin zu einem persönlichen Einladungsverfahren. Das Besondere: Männer haben bereits seit dem 19. April ein Anrecht auf eine Vorsorge-Darmspiegelung ab 50 Jahren. Um so mehr stellen sich Probleme in der Unter- und Überversorgung der Bürger. Das machte eine Diskussion im Gastroenterologischen Qualitätszirkel in Herne deutlich, deren Ergebnisse Dr. Dietrich Hüppe, Vorstand der Stiftung LebensBlicke, folgend zusammenfasst:

  • Ab dem 50. Lebensjahr steht jedem Versicherten eine einmalige ausführliche Beratung zur Darmkrebsvorsorge zu. Diese wird vergütet (EBM 01740). Es bleibt die Frage: wie wird die Beratung dokumentiert? Was passiert, wenn die Beratung wiederholt abgerechnet wird (vom Hausarzt, vom Urologen, etc.).
  • Wenn keine Vorsorgekoloskopie erfolgt, dann soll alle 2 Jahre ein iFOBT (Stuhltest) angeboten werden. Erfolgt eine Früherkennungskoloskopie ohne pathologischen Befund, dann ist der nächste Stuhltest oder eine Koloskopie erst in 10 Jahren vorgesehen. Tatsächlich führen Primärärzte häufig schon nach 1-2 Jahren erneut einen Stuhltest durch. Dieser führt im positiven Fall erneut zu einer koloskopischen Abklärung. Warum ist das so? Die detaillierten Regelungen des KFRG sind den meisten Kollegen unbekannt, weil es bisher keine ausreichende Aufklärung dazu gab!
  • Die Einnahme von NSAR in höheren Dosen führt oft zu einen pathologischen i-FOBT, ohne dass die anschließende Abklärungskoloskopie einen pathologischen Befund erhebt. Deshalb meine Empfehlung: möglichst eine Woche Pause zwischen der letzten Einnahme von NSAR (nicht ASS 100) und der Gewinnung von Stuhlproben für den i-FOBT.
  • Ohne Befund erfolgt die zweite Früherkennungskoloskopie 10 Jahre nach der ersten Untersuchung. Erfolgt die erste Koloskopie erst nach dem 65. Lebensjahr, dann erfolgt keine zweite Vorsorge!
  • Nach  kompletter Abtragung von Adenomen sollte eine Kontrolle nach 3-5 Jahren erfolgen! Nicht früher und nicht später (DGVS-Leitlinie).
  • Bei familiärem Darmkrebs steigt das Risiko für die nachfolgende Generation selbst an Darmkrebs zu erkranken auf das 2-4fache. Deshalb sollte die Vorsorge dann spätestens mit 45 Jahren beginnen! Diese Situation berücksichtigt das KFRG bisher nicht. Deshalb erfolgt die Abrechnung der Koloskopie vor dem 50. Lebensjahr (Männer) und 55 Jahren (Frauen) als Abklärungskoloskopien.
  • Wer weiß über diese Regelungen im Einzelfall Bescheid? Bisher keiner! Es fehlt bisher (mit Ausnahme der Vorsorgekoloskopie) eine nationale, personenbezogene Dokumentation. Es wäre gut, wenn die elektronische Krankenversicherungskarte eine solche Dokumentation leisten könnte! Bisher geht so etwas jedoch nicht!
  • Was bleibt aktuell zu tun: der Patient/Bürger sollte umfassend aufgeklärt und ermächtigt werden, sein Vorsorgeprogramm (möglichst im Rahmen des KFRG) selbst und mit Unterstützung seines Primärarztes zu organisieren und seine Befunde  zu sammeln. Medizinische Fachangestellte (MFA) sollten Arzt und Patienten bei der Erfassung der Befunde möglichst qualifiziert unterstützen.
  • Das Gespräch im Herner Qualitätszirkel war dazu ein erster „Aufschlag“. Es werden noch viele Gespräche im Kollegenkreis nötig sein, um die Möglichkeiten, die das KFRG bietet, umfassend, aber auch rational in der „Wirklichkeit“ umzusetzen.

Dr. med. Dietrich Hüppe – Herne – Vorstand der SLB

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